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Satirischer Kommentar zum Fall der Mauer

Auf die Ankündigung der Kaderführung aus der DDR, die Grenze nach Westen zu öffnen, reagierte der Bundestag wie ein Fernseher bei Programmende: mit dem Absingen der Nationalhymne. Mit stolzgeschwellter Brust versuchten die Volks(ver)treter, den Reformkurs der sozialistischen Genossen als eigenen Erfolg zu feiern. Für viele war dieser Ausbruch pubertärer Deutschtümelei einfach zuviel und schlichtweg peinlich. Verständlich, denn die von reaktionärer Seite so oft beschworene Wiedervereinigung ist dies bestimmt nicht, auch nicht im Ansatz. Und die Bundesregierung sollte lieber an eigene Reformen denken, als den reformfreudigen Sozialisten unverhohlen den Nationalismus westlicher und kapitalistischer Prägung als Patentrezept aufschwatzen zu wollen; ganz nach dem Motto: die besseren Deutschen sitzen hier und freuen sich schon auf den anderen Teil. Vielleicht eine verhohlene Heim-ins-Reich-Mentalität auf der einen Seite (man kennt ja den kitzligen Inhalt des gesamten Liedes), auf der anderen das Bewußtsein, die einzigen legitimen Enkel von Urvater Marx zu sein, keiner weiß so richtig, warum so einmütig durch alle Parteien der dümmste Nationalstolz herausgekehrt wurde. Weil normalerweise immer alles andersherum abgeht (es wird der Deutsche in Australien mit deutschem Ambiente empfangen und nicht mit dem Bumerang), sollte man auch die Öffnung der Grenze nicht zum Anlaß nehmen, sich mit allerlei reaktionären Utensilien vom "anderen Deutschland" abzuheben. Ein Empfang sollte immer freudig sein und deshalb drucken wir hier die Sozialistische Internationale ab, denn dieses Lied paßt einfach besser. Und vielleicht gibt es ja auch hier mal Reformen.

(Erschienen im ASTA-Info an der Uni-GH Paderborn. Der Kommentar führte zu einer heftigen Reaktion der Konservativen heimischen Zeitung wo ein Kommentator gegen “die letzten Bastionen des Kommunismus an bundesdeutschen Hochschulen” zu Felde zog, weil er den satirischen Charakter nicht verstanden hatte. Ein Begehren nach Gegendarstellung wurde im beiderseitigem Einverständnis fallengelassen, dafür wurde ein großer Artikel platziert über die Not studentischer Mütter und die Notwendigkeit einer angemessenen Kinderbetreuung an der Hochschule. Heute gibt es in der Trägerschaft des Studentenwerks einen eigenen Uni-Kindergarten.)

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